Rüdiger Paul Paul 1959 in Bad Lauchstädt geboren, seitdem ist Merseburg meine Heimat für Schule, Lehre, Beruf, Familie und Freizeit. In den eingefügten beruflichen „Wanderjahren“ war Merseburg stets der Mittelpunkt. Man muss seine Stadt schon lieben, wenn man über sie Geschichten schreiben möchte. Merseburg hat sich mir ganz allmählich, über all die vergangenen Jahre erschlossen. Das spiegelt sich in einigen meiner Geschichten wieder. Außer dem Schreiben, bin ich gern unterwegs, fotografiere, höre Musik, gestalte unseren Garten, treffe mich mit Autoren im „Leseturm“ und arrangiere mich im „I-Team“ des OK-Merseburg. Mit Lesungen und kleinen Ausstellungen möchte ich meiner Heimatstadt einen kulturellen Beitrag zurückgeben
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Leseturmautoren lesen im Schlosscafe Zingst
02.11.2024 um 15: 00 Uhr
NUTZE DEN TAG- LASS DIR ETWAS VORLESEN
RÜDIGER PAUL PAUL
liest am 14. 09. 2024 um 17:30 Uhr im Gesundheits- und Sportzentrum „CARPE DIEM“
Hallesche Straße 36a 06217 Merseburg (ehem. Kulturfabrik)
Forrest Gump auf dem Domplatz, ein Bericht von der Merseburger „Fußball WM 68“,
der Mauerfall bei Toppschüttel sowie weitere
geschichtsträchtige- und heitere Begebenheiten rund um Merseburg.
Der Eintritt ist frei, um eine Spende zugunsten des „HEINRICH PERA HOSPIZ“ in Halle wird gebeten.
Im Rahmen des 25. Jubiläums vom CARPE DIEM in Merseburg, stellen derzeit Hobbykünstler ihre Arbeiten aus. Rüdiger Paul Paul seine Fotos rücken eigene Geschichten in den Focus.
Infos unter: www.paul-paul-live.de / www.carpediem-online.inf
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Bereits in dritter Generation Eisenbahner, bekommt Hendrich Bauer sein Leben erst gar nicht in die Hand, denn er wird mit dem Fahrplan groß. Nach einem groben Verstoß wechselt er diesen mit dem Dienstplan einer Kompanie. Nie wieder würde er die Kontrolle aus der Hand geben, auch wenn sie sein Leben kosten würde. Robert Pasch lässt sich von einem Oberleutnant nicht verpflichten und wird mit ihm in der selben Kompanie seine Fahrerlaubnis absitzen. Dieses Dreigestirn reist für 18 Monate gemeinsam durch ein System voller Befehle, Angst und Niedertracht. Dort wo Gleichmut, Freundschaft und Liebe wachsen könnten, werden sie im Namen der Ordnung erstickt. Dennoch schaffen es die eher kleinen Momente, Pasch und seine Mitstreiter aus der Umklammerung zu befreien.
Der SOUNDTRACK zum Buch
(zu hören unter: Spotify-Absitzen) begleitet Robert Pasch durch seine Geschichte.
Projekte-Verlag
ISBN 978-3-946169-57-4
ISBN 978-3-86634-741-0
Erlebnisse auf einer Pilgerwanderung von Bilbao nach Santiago de
Compostela (2009)
Spotify Playlist:
Jesuslatschen Größe 42
Anthologie
Leseturm (IV)
Merseburg/ Beuna
Es ist unsere Zukunft
Leseturm(2023)
"Mythos Europa"
Lachgeschichten aus dem
Leseturm(2023)
"Ach du dickes Kiebitzei"
Bildband
Licht und Tinte
Illustriert vom Fotoclub Inspiration
mit Texten von der Autorengruppe
Leseturm
Fotografie, Lyrik und Prosa aus Halle und Merseburg (2020)
"Nebel"
"Wut"
Nebel
Elfenbein tritt ins Auegras
leicht und weich
es schwebt
Nebel weht
Seidenschleier
umhüllt sanft
ein Geheimnis
lässt werden
Nebel steht
Zeitstrom
nimmt mit
das Leichte
macht es fest
Nebel geht
Seelenwein
tränt ins Glas
rot und schwer
und tröstet
Nebel verweht
Bodenkrume
klebt
erden und zäh
am Fuß
Leben vergeht
Neuer Text
MZ- Neuer Landbote Ausgabe vom 30.09.2022
„Coryright Mitteldeutsche Zeitung“
"Der Püppchenstein"
MZ- Neuer Landbote Ausgabe vom 03.09.2020
Autor aus Meuschau hat sich dem Püppchenstein gewidmet
Meuschau - Der Autor aus Meuschau widmet sich in seinem neuen, kleinen Werk dem geschichtenumwobenen Püppchenstein.
Von Melain van Alst
MZ Ausgabe vom 03.09.2020
Um einen Stein zwischen Beuna und Geusa ranken sich mehrere Geschichten, die sich Rüdiger Paul für sein neuestes Werk zu Nutze gemacht hat. „Der Püppchenstein“ dürfte Ortskundigen als Sage ein Begriff sein und ziert nun auch das Cover einer kleinen Broschüre, wie es Paul selbst nennt. Darin greift er zwar die historischen Geschichten um den Stein auf, hat sich jedoch eine Geschichte dazu erdacht.
„Die Geschichte spielt während des Siebenjährigen Krieges“, sagt Paul mit dem Heftchen in der Hand. Bevor er sich jedoch die Liebesgeschichte dazu überlegt hat, hat er etwas mehr über den Püppchenstein erfahren wollen. Nachgelesen habe er daher in den Heften „Merseburger Land“, die sich unter anderem auch mit Sagen beschäftigen. Der Püppchenstein soll einst ein zwei Tonnen schwerer Braunkohlequarzit gewesen sein, der als Totenstein bekannt war.
Demnach wurden in Geusa Gestorbene auf den Friedhof in Beuna gebracht und auf halben Wege hätten die Träger eine Pause an dem Stein eingelegt und den Sarg abgelegt. Ein weiterer Teil der Sage besagt zudem, dass Sonntagskindern, die in einer Vollmondnacht am Stein vorübergehen, tanzende Püppchen erscheinen. Aber jene, die um Mitternacht am Stein vorbeigehen und keine Sonntagskinder sind, entweder erstarren oder in die Irre geführt würden.
Ein weiterer Teil der Sage ist für den Meuschauer ein wichtiger Aspekt seiner Geschichte. Denn angeblich soll ein französischer Leutnant darunter begraben sein. Jener Leutnant, zwar selbst erdacht, ist aber einer der beiden Hauptakteure der Liebesgeschichte. „Die Geschichte hat auch immer wieder Bezüge zur Region, zur Hoppenhauptkirche oder zur Mühle in Beuna“, sagt der 61-Jährige.
Er habe sich viel damit beschäftigt, erklärt Rüdiger Paul. Das sei für ihn ein wesentlicher Bestandteil seiner Kreativität. So sei auch das Buch „Jesuslatschen - Größe 42“ entstanden, wodurch er zum Schreiben gelangt sei. Paul beschreibt darin, welche Erfahrungen er selbst auf einer Reise auf dem Jakobsweg gemacht hat.
Er hat auch schon das nächste Projekt, an dem er gerade schreibt und ist im „Leseturm“ engagiert. Das Schreiben ist für Rüdiger Paul zu einem ständigen Begleiter geworden.
„Coryright Mitteldeutsche Zeitung“
"Jesuslatschen Größe 42"
Hervorragendes Buch für Jakobswegpilger der Nordroute
Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 18. Februar 2010
Endlich ein Buch über die nördliche Pilgerroute Camino del Norte" und dann noch so ein herrlich geschriebenes, in dem Rüdiger Paul seine Erlebnisse vom 16.04. bis 19.05.2006 mehr als eindruckvoll schildert. Der aus Merseburg stammende Autor ist ein viel belesener und musikinteressierte Mann mit einer Vorliebe zu Salvatore Dalis Malkunst, der seine Umgebung und die ihm begegnenden Menschen hervorragend beschreibt. Das Lesen und die Anteilnahme an seinen Erlebnissen ist seitenweise ein wahrer Genuss. Wichtig erscheint mir: auf dem nördlichen Pilgerweg kann noch eine Ursprünglichkeit erlebt werden, die der Pilger auf dem südlicher verlaufenden Weg heute vergeblich sucht. Erst nach 5 Wandertagen begegnet Paul dem ersten Pilger (!) in einer der einsamen Herbergen. Hier ist das Ursprüngliche moderner denn je. Oftmals vermittelte gerade die Einfachheit der Dinge eine Geborgenheit, nach welcher man sich im Leben sehnt. .... Auf einem paradiesischen Weg entlang der Küste öffnen sich die Augen allmählich wieder zum bewussten Sehen. Man ist durch die äußeren Umstände vergrämt und lässt nicht einmal das Schöne einströmen, bis man dann scheibchenweise den Körper wieder frei gibt, um an der Natur teilzuhaben." Ja, es fällt dem Pilger nicht immer leicht den rechten Weg zu finden und die Anstrengungen die meistern, die von ihm abverlangt werden. Aber Paul genießt die herrliche Landschaft in vollen Zügen und erfrischt sich beim Essen, dass die Erotik der Pilger ist" genauso, wie bei den oft holprigen Gesprächen, die er gerne mit Herbergsbesitzern, Mitpilgern und Dorfbewohnern führt. Häufig legt sich der Autor ins Gras, isst einwenig, nimmt die Gerüche wahr, streichelt über Ruinen und Sträucher, ehe er sich eine Mütze voll Schlaf gönnt, um erholt tiefe Täler und hohe Berge zu durchwandern. Alles genießt er im Alleingehen besser als beim gemeinsamen Pilgern den eigenen Rhythmus verändern zu müssen. Übrigens herrliche Farbaufnahmen bebildern das Buch und machen Lust, sich auf diese Pilgerreise zu begeben. Natürlich ist Paul darüber betrübt, die Küste verlassen zu müssen, um ans Ziel seiner Wanderung nach Santiago zu gelangen. Peter Schibalski
Veröffentlicht in Der Jakobusfreund" Nr. 10/Februar 2010 - Freundeskreis der Jakobuspilger, PaderbornNeuer Text
Leseprobe
Über die Anwendung barocker Zaubersprüche
Gleichsam einem alten Gemälde entsprungen duckt sich der klägliche Rest des Merseburger Sixtiviertels im Schatten des Wasserturmes. Der Turm ragt stolz in den Himmel, ist aus der Silhouette Merseburgs nicht mehr wegzudenken. Bei genauerem Hinsehen wirkt er aber ebenso müde und abgezehrt wie sein mit Gitterzäunen versperrtes Umfeld. Rings um diesen Hügel liegt ein Stück Merseburger Geschichte begraben. In sternenlosen Neumondnächten, wenn der Turm keinen Schatten mehr wirft, treffen wir uns hier oben am Rande des Wasserbassins. Wir, das sind die Spukgestalten alter Merseburger und die Geister der neu dazu Gestorbenen. Eben all jene, die Merseburger Geschichte geschrieben haben: Schuster, Hebammen, Kesselflicker, Lehrer, Bauherren, Bäcker, Pferdeburschen, Adelige, Musiker, Stellmacher, Bauern, Schreiberlinge, Tagelöhner, Fotografen, Sänger, Friedhofsgärtner, Brauherren, Soldaten, Kirchendiener und Kohlehändler. Alte und junge, Arme und Reiche, sowie die Bösen und Sanftmütigen der Stadt unter einem Dach – wo hat man derartiges in Merseburg schon gesehen? Meist ist der Turm knackevoll. Froh ist, wer einen Platz am Rande des Beckens gefunden hat. Der Rest steht oder schwebt. Wassergeister schwimmen natürlich. Ohne uns gäbe es gar keine Geschichten. Weder gute noch schlechte, diese nicht und keine anderen. In unseren Geschichten verschwimmt die Wirklichkeit, vermischt sich mit Erlebtem und lässt der Phantasie freien Lauf. Null Uhr schlägt die Turmuhr der Neumarktkirche. Nun bildet sich auf der Wasseroberfläche ein dünner Nebel. Das Wasser bekommt eine leuchtend blaue Färbung. In der Kuppel des Turmes mischen sich gelbe, grüne und blaue Luftschleier. Heute ist es an mir, eine Geschichte zu erzählen. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Hoppenhaupt. Johann Michael Hoppenhaupt. Merseburg lag mir zu meiner Zeit auf Erden sehr am Herzen. Deshalb entwarf ich für Merseburg barocke Bauwerke. So zum Beispiel den Schlossgartensalon, die Kirche in Oberbeuna, den Herzogspavillon in Bad Lauchstädt, eine Mühle in Holleben. Prunksärge in der Merseburger Fürstengruft tragen meine Handschrift. Die Kraft meiner Phantasie hat Geheimnisse in vielen meiner Kunstwerke verewigt. Besonders am Herzen lag mir die Obere Wasserkunst. Herzog Heinrich von Sachsen-Merseburg übertrug mir die Aufgabe, die maroden Gebäude der Oberen- und Unteren Wasserkunst in Stein zu errichten. Ein neu erschaffenes Pumpwerk und bleierne Röhren sollten die Obere Altenburg, das Schloss sowie die Domfreiheit mit Saalewasser versorgen. Wer zählt schon die Skizzen? Die Versuche, mich dem Ziel zu nähern. Im Schein einer rußenden Petroleumlampe mühte sich mein Geist oftmals, bis mir die Augen zufielen. Als endlich 1738 im Beisein des Herzogs Saalewasser durch die Röhren strömte und sich die Tröge auf dem Schlossberg mit klarem Wasser füllten, war das Werk vollendet. Von diesem Tag an beflügelte das Plätschern des einströmenden Wassers meinen Geist. Mit diesem über dem Portal der Wasserkunst in Stein gehauenen Spruch sollte dem Baumeister gehuldigt werden: „So faß die Kunst in Bley und Röhren Deß Wassers eingeschränkte Fluth. Ein Druckwerk muß das Steigen mehren Das doppelt treibt und niemals ruht. Diß Theurer Heinrich ist Dein eigen Du baust es neu und nutzbar auf. Gott lasse Deiner Jahre Lauff Wie diese Kunst beständig steigen. Anno 1738 Unweit der Wasserkunst fand ich auf dem Altenburger Friedhof meine letzte Ruhestätte. Aber man stirbt nicht so einfach, ist nicht so plötzlich weg, wie es den Lebenden erscheint. Quirliges Plätschern ließ im Jahre 1889 meinen Geist erwachen. Erstmals verließ ich den Platz, der seit einhundertachtundvierzig Jahren als meine letzte Ruhestätte galt. Dem vertrauten Lied des Wassers entgegen strömte ich mehr, als dass ich lief. Die Dinge, welche mir als Mensch im Wege standen, konnte ich nun durchdringen. Was war geschehen? Hatte sich mein Geist tatsächlich von den Überresten meines Körpers entfernt? Mit einem Mal hatte ich es eilig, an die Quelle des Ereignisses zu gelangen. Rund um die Kirchenruine der St. Sixti wurde ich einer Baustelle gewahr. Ein Ingenieur namens Pfeffer war beauftragt, ein Wasserwerk zu erschaffen, welches die Häuser der Stadt Merseburg mit Wasser versorgen sollte. Oben in der neu errichteten Turmkuppel wurde ein Speicherbehälter aus Stahl eingebaut. Er maß in seinem Durchmesser zwölf Meter und fasste ganze 770 Kubikmeter Trinkwasser. Auf der Baustelle wurde bis zur letzten Minute gesägt, gebohrt, gerüstet, gehievt, genietet, gefeilt und geschliffen. Gerade am heutigen Tag sollte der Turm seiner Bestimmung übergeben werden. Bürger der Stadt, Handwerker und viele Bewohner des Sixtiviertels folgten der feierlichen Einweihung. Es war eine Freude für mich, unbeschwert dem Tun zu folgen. Als ich erfasste, mit welchem Geist dieser Bauherr ans Werk ging, fiel mir mein Sinnspruch wieder ein: „Du baust es neu und nutzbar auf. Gott lasse Deiner Jahre Lauff. Wie diese Kunst beständig steigen.“ In der Kuppel traf mich ein vom klaren Wasser reflektierter Sonnenstrahl, ließ mich über die Geschichte der Wassers in dieser Stadt sinnieren. Dabei musste ich wohl eingenickt sein. Jahre vergingen und viel Wasser floss die Saale hinunter. Jäh wurde ich fast einhundert Jahre später, also im Jahre 1985, von einem gurgelnden Geräusch aufgeschreckt. Als ob das Wasser selber um Hilfe riefe. Der Hilfeschrei ertönte eindeutig aus der Wasserkuppel der St. Sixti-Ruine. Eile schien geboten. Kaum zu glauben, was sich im Turm vor meinen Augen abspielte. Der harte Kern der Merseburger Geisterwelt spukte aufgebracht rings um das Wasserbecken, in welchem mit höllischer Kraft ein Wasserstrudel tobte. Es war, als hätte jemand den Stöpsel herausgezogen. Wassergeister und Nixen retteten sich gerade noch an den stählernen Rand des Bassins. Immer weiter sank das Auge des Strudels in die dunkle Tiefe, bis der letzte Schwall mit einem herzzerreißenden Hilferuf hallend im Steigrohr nach unten preschte. Totenstille hier oben. Nur der Wind strich um die Ecken des Turmes, ein paar Tauben gurrten. Alle Anwesenden schauten sich doppelt entgeistert an. Was war geschehen? Nahe dem Gut Werder, am Rande der Stadt, war in den vergangenen Jahren ein Wasserwerk gebaut worden. Schlicht in der Ansicht, zweckmäßig, architektonisch nichts Besonderes. Mit Wasserkunst hatte diese graue Maus wenig zu tun. Man verbaute, wie es hieß, modernste Technik, aus dem Lande Lenins. Zwei riesengroße Pumpen sollten von nun an den Dienst des Wasserturmes übernehmen. Eine Pumpe für die Versorgung, die zweite stand ausschließlich für den Reservefall bereit. Aufgeregt drängelten sich die Geister in der Turmkuppel, keiner konnte begreifen, was hier geschah. „Erst hat man uns die Häuser des Sixtiviertels genommen. Nun, da wir in diesem Turm ein neues Zuhause gefunden haben, wird uns das Wasser verwehrt!“, rief der Geist des einstigen Baumeisters Pfeffer. Indes hatten sich die Mitarbeiter in der Maschinenhalle des Wasserwerkes zur Pumpenweihe eingefunden. Alle Schlosser trugen frisch gewaschene Arbeitsanzüge, das Anlagenpersonal gefiel in bunten Dederon-Schürzen. An der Wand klingelte das schwarze Telefon. Der Meister nahm den schweren Hörer von der Gabel und meldete sich. Vom anderen Ende der Leitung bekam er die Mitteilung, dass der St. Sixti-Wasserturm endgültig außer Betrieb genommen wurde. Freudig erregt legte er den unförmigen Hörer auf die Gabel zurück. Er durchmaß mit stolzem Schritt die Maschinenhalle und nestelte dabei aufgeregt an seiner schwarzen Ledermütze. Am großen Schaltschrank direkt neben den Pumpen hatten sich die Kollegen aufgestellt. Der Meister betätigte den Hauptschalter. Unter gewaltigem Dröhnen fuhr die Druckpumpe an und förderte von Stund an Trinkwasser in das Rohrnetz der Stadt. Seliger Glanz stieg vorübergehend in des Meisters Augen. „Wie kann man dieser Willkür Einhalt gebieten?“, fragte ich mich. Oft genug hatte ich mir über die zerstörerische Kraft des Wassers Gedanken gemacht. Mit diesem Wissen fasste ich einen einsamen Plan. Mitten in der Stadt, an der Kreuzung Magistrale/Gotthardstraße, stand sich selbst überlassen ein Schlosser. Er hatte die Aufgabe, das Entlüftungsventil zu öffnen, damit die Luft aus dem Rohrsystem entweichen konnte. Lenin stand auf seinem Denkmalsockel und schien gelassen dem emsigen Alltagstreiben im Stadtzentrum zu folgen. Er ahnte nicht, was sich in der Erde direkt unter ihm zusammenbraute. „Warte nur mit deiner Technik! Von wegen unseren Wasserturm trockenlegen!“, grummelte ich etwas verstimmt. Meine übersinnlichen Kräfte reichten aus, den Schlosser zu beeinflussen. Verträumt stand der neben dem Schieber und verfolgte die Kondensstreifen eines Flugzeuges. Darüber vergaß er seine Aufgabe. Der Schlosser setzte sich auf den Bordstein und blickte ins Leere. Nun nahm das Schicksal seinen Lauf. Die neue Pumpe drückte mit enormer Kraft Wassermassen in die Hauptleitung. Das zum Stadtzentrum hinströmende Wasser schob eine Luftblase vor sich her, welche sich mehr und mehr verdichtete. So entfalteten sich in dem Rohr ungeahnte Kräfte und es kam, was kommen musste. Der aufgebaute Druck war so hoch, dass er sich mit einem zerstörerischen Knall den Weg ins Freie bahnte. Erschrocken zuckte der Schlosser zusammen. Er sah nur noch, wie der blaue Entlüftungsschieber hoch über ihm seine Bahn zog. Im Wasserwerk bemerkte man den plötzlichen Druckabfall, meinte aber, das hinge mit der Inbetriebnahme der Pumpen zusammen. Also lief der Meister zum großen Schaltschrank. Rückte erneut den abgewetzten Schirm seiner schwarzen Ledermütze zurecht und tat etwas sehr Verhängnisvolles. Er schaltete per Knopfdruck die Reservepumpe zu. Dadurch verdoppelte sich der im Rohr anstehende Druck. War mein alter Sinnspruch etwa doch eine Zauberformel? „So faß die Kunst in Bley und Röhren Deß Wassers eingeschränkte Fluth. Ein Druckwerk muß das Steigen mehren Das doppelt treibt und niemals ruht.“ Genau das geschah! Zu Lenins Füßen schoss eine meterhohe Fontäne in den Merseburger Abendhimmel. Die Asphaltdecke riss auf, darunterliegende Pflastersteine wurden ausgespült. Wie ein Vulkan spie das tobende Wasser Sand, Steine, Schotter in die Höhe. Schnellen Schrittes, geduckt und mit eingezogenen Köpfen, versuchten Passanten sich dem herabregnenden Trinkwassermassen zu entziehen. Vor dem Denkmal entstand ein riesiger wassergefüllter Krater. Die Straßenbahngleise sackten ab. Auch das Fundament des Lenindenkmals wurde vom ständig nachdrückenden Wasserstrom unterspült. Dadurch neigte sich die riesige Bronzeskulptur allmählich nach Osten. Polizei, Feuerwehr und natürlich Schaulustige bildeten die Kulisse für dieses Drama der Wasserkunst. Der eilig herbeigerufene Bereitschaftsdienst stand Kopf. Ein Herr im braunen Anzug, dem ich bei der Einweihung der neuen Pumpen begegnet war, sprang aus dem Auto und schrie völlig entgeistert: „Alles, nur nicht Lenin!“ Das auf ihn herabprasselnde Wasser erstickte seinen einsamen Schrei. Vorhin in der Maschinenhalle sprach er noch von einer neuen Ära und der modernen Technik aus dem Lande Lenins und von Planerfüllung. Nun schien alle Zuversicht aus ihm gewichen. Vollkommen durchnässt, mit hängenden Armen und gesenktem Kopf, schaukelte er mehr, als dass er ging, seiner bangen Zukunft entgegen. Aus seiner Perspektive erschienen ihm die Oberleitungen der Straßenbahn wie Fallstricke. Im Scheine der untergehenden Sonne drohte Lenin direkt in dieses Geflecht aus Stahlseilen zu kippen. Nun war es an mir. Es bedurfte einiger telepathischer Kunstgriffe, um den Meister im Wasserwerk zu bewegen, endlich die gewaltigen Pumpen abzustellen. Aus der ungebändigt austretenden Fontäne wurde allmählich ein Springbrunnen. Nach kurzer Zeit blieb davon nur noch ein weicher Wasserstrahl übrig, welcher mit letzter Kraft versuchte, einen Bogen zu erzeugen. Aus! Schlagartig war es still. Totenstill! Im Rinnstein plätscherten noch vereinzelte Rinnsale in Richtung Kanalisation. Um das Sixtiviertel wieder mit Trinkwasser zu versorgen, aktivierte man eilig den gerade erst außer Betrieb genommenen Wasserturm. Frischer klarer Quell sprudelte noch am späten Abend in das Speicherbassin. Ein Wassermann rutschte vom Rand in die Fluten. Bald darauf stiegen vorsichtig zwei Nixen in das klare Nass. Der Bademeister vom alten Saalebad nahm Anlauf und versuchte es wie in seinen besten Zeiten mit einer Arschkrampe. Sah gut aus, spritzte aber nicht. Geist halt! Ganz unvermittelt tauchte eine Glatze aus dem Wasser auf. Das war der Saalealf. Er hob seinen Kopf aus dem Wasser und nuschelte wässrig: „Leude, esch ischt gleisch Einsch!“ Der erste Stundenschlag tönt von der Neumarktkirche her. Das blaugrün schimmernde Licht hinter den Fensterscheiben des Turmes der St. Sixti erlischt. Die illustere Gesellschaft löst sich in nichts auf und der Spuk findet für eine weitere Geisterstunde sein gutes Ende.
Nebel
Elfenbein tritt ins Auegras
leicht und weich
es schwebt
Nebel weht
Seidenschleier
umhüllt sanft
ein Geheimnis
lässt werden
Nebel steht
Zeitstrom
nimmt mit
das Leichte
macht es fest
Nebel geht
Seelenwein
tränt ins Glas
rot und schwer
und tröstet
Nebel verweht
Bodenkrume
klebt
erden und zäh
am Fuß
Leben vergeht
"Jesuslatschen Größe 42"
Hervorragendes Buch für Jakobswegpilger der Nordroute
Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 18. Februar 2010
Endlich ein Buch über die nördliche Pilgerroute Camino del Norte" und dann noch so ein herrlich geschriebenes, in dem Rüdiger Paul seine Erlebnisse vom 16.04. bis 19.05.2006 mehr als eindruckvoll schildert. Der aus Merseburg stammende Autor ist ein viel belesener und musikinteressierte Mann mit einer Vorliebe zu Salvatore Dalis Malkunst, der seine Umgebung und die ihm begegnenden Menschen hervorragend beschreibt. Das Lesen und die Anteilnahme an seinen Erlebnissen ist seitenweise ein wahrer Genuss. Wichtig erscheint mir: auf dem nördlichen Pilgerweg kann noch eine Ursprünglichkeit erlebt werden, die der Pilger auf dem südlicher verlaufenden Weg heute vergeblich sucht. Erst nach 5 Wandertagen begegnet Paul dem ersten Pilger (!) in einer der einsamen Herbergen. Hier ist das Ursprüngliche moderner denn je. Oftmals vermittelte gerade die Einfachheit der Dinge eine Geborgenheit, nach welcher man sich im Leben sehnt. .... Auf einem paradiesischen Weg entlang der Küste öffnen sich die Augen allmählich wieder zum bewussten Sehen. Man ist durch die äußeren Umstände vergrämt und lässt nicht einmal das Schöne einströmen, bis man dann scheibchenweise den Körper wieder frei gibt, um an der Natur teilzuhaben." Ja, es fällt dem Pilger nicht immer leicht den rechten Weg zu finden und die Anstrengungen die meistern, die von ihm abverlangt werden. Aber Paul genießt die herrliche Landschaft in vollen Zügen und erfrischt sich beim Essen, dass die Erotik der Pilger ist" genauso, wie bei den oft holprigen Gesprächen, die er gerne mit Herbergsbesitzern, Mitpilgern und Dorfbewohnern führt. Häufig legt sich der Autor ins Gras, isst einwenig, nimmt die Gerüche wahr, streichelt über Ruinen und Sträucher, ehe er sich eine Mütze voll Schlaf gönnt, um erholt tiefe Täler und hohe Berge zu durchwandern. Alles genießt er im Alleingehen besser als beim gemeinsamen Pilgern den eigenen Rhythmus verändern zu müssen. Übrigens herrliche Farbaufnahmen bebildern das Buch und machen Lust, sich auf diese Pilgerreise zu begeben. Natürlich ist Paul darüber betrübt, die Küste verlassen zu müssen, um ans Ziel seiner Wanderung nach Santiago zu gelangen. Peter Schibalski
Veröffentlicht in Der Jakobusfreund" Nr. 10/Februar 2010 - Freundeskreis der Jakobuspilger, PaderbornNeuer Text